Der Segen kommt von oben: Die Glocken von St. Jürgen

Die Glockengeschichte von St. Jürgen widerspiegelt ein Stück deutscher Geschichte: Die ersten Glocken von St. Jürgen wurden schon im März 1937 gegossen und zwar bei der Glockengießerei Schilling in Apolda in Thüringen. Die drei Glocken aus Bronze wurden 1938 per Bahn zum Güterbahnhof Ochsenzoll transportiert. Noch auf dem Güterbahnhof stellte Pastor Horn stellte die Glocken der Gemeinde vor und brachte sie zum Klingen.

Präsentation der Glocken

Von dort wurden sie in einem festlichen Geleitzug auf dem Stockflethweg, der damals noch Bornweg hieß, zum Eichenkamp gebracht.

Glockenzug auf dem Bornweg

Die Rechnung der Firma Schilling vom 23. Oktober 1938 belief sich auf 3151,40 RM. Der sachverständige Glockenprüfer Friedrich Brinkmann von St. Michaelis hatte zuvor am 22. Januar 1938 bestätigt: „Jede Glocke klang, mit dem unbewaffneten Ohr gehört, harmonisch rein und klar … Das einwandfreie Klangergebnis hat mir ungetrübte Freude bereitet. Möge die Kirchengemeinde Ochsenzoll an dem Geläut große Freude haben und ihr das wunderschöne Geläut stets zum Segen gereichen!“ Leider sollte die Freude nur wenige Jahre andauern. 1942 wurde vom Reichswirtschaftsminister verfügt, dass jede Kirchengemeinde „als Metallspende des Volkes“ ihre Glocken, bis auf eine, für die Herstellung von Waffen abzuliefern hatte. So geschah es im Jahre 1942. Nur die kleine Glocke mit dem Ton cis´´ durfte verbleiben. Sie läutete einige Jahre allein durch die Kriegs- und Nachkriegszeit, bis das Glockenwerk 1952 durch zwei sogenannte „Patenglocken“ ergänzt wurde. Sie waren auf dem „Glockenfriedhof“ im Hamburger Hafen dem Einschmelzen entgangen. Die eine Glocke, Gussjahr 1796, Schlagton h´, stammte aus dem Ort Lauban, östlich von Görlitz, und die andere, Gussjahr 1726, Schlagton gis´, aus Goldau, Kreis Rosenberg/Westpreußen, heute Woiwodschaft Ermland-Masuren. 1973 wurde die aus dem Jahr 1938 verbliebene Glocke der neuerbauten Kirche der Gemeinde Käkenflur überlassen, die dort noch heute brav ihren Dienst tut und die tröstliche Inschrift aus dem Römerbrief (12,12) trägt: Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet!

Glocke Zachäus

Glocken sind Musikinstrumente, die uns an besondere Ereignisse erinnern: Bei Hochzeiten, Taufen, Konfirmationen oder Sonntagen sorgen sie für eine klingende Einladung in den Gottesdienst. Auch für Menschen, die nicht kommen können oder wollen, sind sie eine Anregung zu einem Gebet oder für ein kleines Innehalten. Während der Woche erinnert das Geläut an das Aufstehen, das Mittagessen oder den Feierabend, als wollten sie sagen: „Gott geht mit, er segne Deinen Tag!“ Doch auch das Schweigen des Geläuts hat einen Signalwert, etwa zwischen Karfreitag-Nachmittag und der Osternacht. Die sieben Bitten des Vaterunsers werden oft mit sieben Glockenschlägen begleitet. Auf diese Weise denkt die Gemeinde mit Gebet an Menschen, die etwa aus Krankheitsgründen nicht zum kirchlichen Gebet kommen können. In manchen Gegenden erinnert ein stündlicher Glockenschlag an den Psalmvers 31,16: „Meine Zeit steht in Gottes Händen“.

Wolfgang Peper, Wolfgang Trautmann