Wussten Sie eigentlich…

wie ein Gottesdienst aufgebaut ist?

Im Gottesdienst versammeln wir uns, um die Gegenwart Gottes zu erbitten und sie zu feiern. Dazu helfen vertraute Rituale. Sie spiegeln eine viele Jahrhunderte umfassende Tradition wider und nehmen zugleich die aktuelle Situation unserer Zeit auf: Freude, Ängste, Hoffnungen und Bitten.
Ein Gottesdienst beginnt mit der „Eröffnung und Anrufung“. Zweimal, mit dem Vor- und dem Hauptläuten, rufen die Glocken. Es erkling die Orgel oder ein Chorgesang zum Einzug. Die Pastorin oder ein Gemeindeglied beschreibt das besondere Thema des Tages. Ein Lied eröffnet den Gemeindegesang. Das folgende Psalmgebet nimmt den Leitgedanken des Gottesdienstes auf. Es kann im Wechsel zwischen einem Vorbeter und der Gemeinde gesprochen werden. Im Kyrie eleison („Herr, erbarme dich“), das in vorchristlicher Zeit dem weltlichen Herrscher galt, rufen wir Gott, Christus und dem Heiligen Geist unsere Bedürftigkeit und unser Vertrauen zu. Das folgende Gloria in excelsis („Ehre sei Gott in der Höhe“) ist ein Lobgesang über Gottes Freundlichkeit und Gnade, durch die wir Frieden finden: Eine Erinnerung an den Gesang der Engel in der Weihnachtsnacht. Ein kurzes Tagesgebet („Sammlung“) fasst das Thema des Sonntags zusammen, bevor ein Gemeindeglied die Texte des Tages aus der Bibel liest.
Zum Glauben der Christinnen und Christen gehört es, dass sich Gott seiner Gemeinde in den Worten der Bibel offenbart. „Verkündigung und Bekenntnis“ heißt so der zweite große Abschnitt des Gottesdienstes. Sein Leittext ist das Evangelium der Woche, die „gute Nachricht“, also eine Geschichte aus der Jesus-Überlieferung. Sie bestimmt auch das Thema des Sonntags, etwa: „Einer trage des anderen Last“ oder „Werft eure Sorgen auf Gott: Er sorgt für euch“ oder „Christus ist der gute Hirte.“ Vor dem Evangelium wird ein Text aus dem Alten Testament oder aus den apostolischen Briefen (Epistel) gelesen. Nach der Epistel bereitet das dreifache „Halleluja“ („Lobt Gott!“) mit einigen Psalmversen den Evangeliumsabschnitt vor. Das anschließende Hauptlied der Woche (Graduallied) nimmt das Thema gesanglich auf. Hier ist auch Platz für festliche Chor- oder Orgelmusik.
Zu allen Lesungen erhebt sich die Gemeinde als Zeichen der Aufmerksamkeit und des Respektes, aber auch der Erwartung: Mit dem Wechselruf „Ehre sei dir, Herr – Lob sei dir, Christus“ preist sie die geistliche Gegenwart des Gottessohnes, wie es das Neue Testament erzählt. Auf die Jesusgeschichte antworten die Teilnehmenden des Gottesdienstes mit dem Bekenntnis ihres Glaubens: eine Vergewisserung und Erklärung des Glaubens, ja ein Gotteslob. Dieses Bekenntnis kann in verschiedener Weise erfolgen.
Das Nizänische Glaubensbekenntnis aus dem 4. Jahrhundert, das auf dem Konzil von Nicäa um 325 formuliert wurde, verbindet die Ost- mit der Westkirche und spricht auch von der einen Taufe. Bekannter ist das westliche Apostolische Glaubensbekenntnis (um 390), das bereits die Konfirmanden auswendig können.
Mit dem Lied „Wir glauben Gott im höchsten Thron“ aus dem Jahr 1937 können wir das Bekenntnis unter Orgelbegleitung auch singen: eine in St. Jürgen-Zachäus geschätzte und festliche Tradition. Sie leitet über zur Predigt.
Im evangelischen Gottesdienst hat die Predigt eine zentrale Bedeutung. Sie sieht in der Bibel, der „Ur-Kunde“ des Glaubens, Gottes Wort. Diese „Offenbarung“ gilt es immer neu auszulegen: Sie will den Glauben an Christus stärken und die gute Botschaft in unsere Zeit hinein tragen. Über 6 Jahre hinweg werden so etwa 400 Textabschnitte aus der Bibel den entsprechenden Sonn- und Feiertagen zugeordnet und vorgeschlagen („Perikopen-ordnung“). So erklingt an einem normalen Sonntag in den meisten evangelischen Kirchen derselbe Bibelabschnitt.
Die Predigerinnen oder Prädikanten haben es gelernt, die biblischen Texte historisch einzuordnen und wissenschaftlich-kritisch zu befragen. So kann dann die aktuelle Deutung für unsere Zeit erfolgen. Aber nicht immer muss ein Bibeltext ausgelegt werden. Auch geistliche Lieder oder Gedichte, große Gestalten des Glaubens oder Kunstwerke können der Predigt zugrunde liegen.
Immer aber wird der Predigende sein eigenes Glaubenszeugnis einbringen. Nur, wer sich persönlich von dem Bibelabschnitt ansprechen lässt, kann auch etwas vom Text „bezeugen“. Die Gemeinde soll die Gelegenheit haben, in Bibelkreisen oder Nachgesprächen die Predigt und die Predigenden kritisch zu befragen; die Geistlichen sind ja selbst Gemeindeglieder.
An die Stelle einer Predigt kann, etwa in Familien- oder Themengottesdiensten, eine Anspielszene, eine Meditation, eine Kantate oder ein Gespräch treten.
Die Länge einer Predigt hängt von Inhalt und Lebendigkeit ab. Pflegten Prediger noch vor 50 Jahren über 45 Minuten oder länger zu predigen, sind es heute etwa 8 bis 15 Minuten – je nach Text und Anlass.
Ich finde, im Gottesdienst darf die Predigt nicht alleine stehen. Die Choräle, die Musik, die Gebete, die Liturgie und auch das Abendmahl sind die gleichberechtigten Partner und Interpreten. Das Lied nach der Predigt, ein Instrumentalstück oder eine Zeit der Stille kann die Predigt „nachklingen“ lassen.
Über allem aber steht der Kanzelgruß, der Gottes Güte den Hörerinnen und Hörern zuspricht, etwa: „Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herren Jesus Christus!“

Wolfgang Peper