Von Waltershof nach Langenhorn – Eine Baracke auf Reisen

Es geschah zu der Zeit, als unsere Gemeinde „Kirchengemeinde Nord-Langenhorn“ hieß. Sie bestand aus den Bereichen St. Jürgen, Broder-Hinrick und dem Gebiet westlich der Langenhorner Chaussee. Dieser sogenannte „Westbezirk“ wurde später, am 1. Juli 1973, als Gemeinde „An der Käkenflur“ selbständig. Schon vorher aber gab es hier ein reges Gemeindeleben: Ab Ende 1966 wurden Gottesdienste in der Schülerbücherei der Schule Neuberger Weg abgehalten. Angesichts der zunehmenden Bebauung in der Gegend wurden größere Räumlichkeiten für das Gemeindeleben benötigt. Aufgrund von persönlichen Beziehungen bestand die Gelegenheit, ein 530 qm großes Grundstück an der Käkenflur 31 zu erwerben. Da die Matthias-Kirche in Waltershof zu dieser Zeit wegen des Autobahnbaus und des Wegzugs der Bevölkerung fast funktionslos geworden war, kam im Landeskirchenamt die Idee auf, dieses Kirchgebäude nach Langenhorn umzusetzen. Die Matthias-Kirche, die zur Kirchengemeinde Finkenwerder, davor zur St. Pauli-Gemeinde gehörte, war ein barackenähnlicher Holzbau mit Ziegeldach und Dachreiter samt Glöckchen.

Dieses Kirchgebäude wurde in kritischen Besichtigungen für geeignet befunden, in Einzelteilen nach Langenhorn transportiert und an der Käkenflur auf einem hergerichteten Fundament aufgebaut. Dabei verzichtete man auf den etwas maroden Dachreiter und die Innenaufteilung wurde verändert. Es entstand ein eingeschossiges Gebäude mit neuem Dach, einem geräumigen (74 qm) Andachtsraum für 75 Personen, der als Mehrzweckraum, also auch für Spiel- und Vorschulgruppen, für Konfirmandenarbeit oder als Cafe, genutzt werden konnte. Daneben gab es einen Raum für Gruppenarbeit, Büro, Küche, WC. Die Kosten für die verschiedenen Umbauten von rund 50.000 DM übernahm größtenteils die Landeskirche.

Da der Kirchenkreisrat den vom Kirchenvorstand vorgeschlagenen Namen „Franziskus“ als „zu sehr mit der katholischen Kirche verbunden“ und auch andere Namen abgelehnt hatte, nannte man das schlichte Gebäude passend „Kapelle Käkenflur“. Vorangetrieben wurde das Projekt von dem gerade erst eingesetzten Pastor Reiner Schulenburg. Am 22. Oktober 1967 weihte er die Kapelle zusammen mit dem Kirchenvorstand und vielen Gästen ein. In den letzten Wochen davor soll Chaos geherrscht haben: Der Fußboden (eine Art Parkett – leider aus sehr weichem Holz) wurde nicht fertig. Man behalf sich mit einer teilweisen Teppichbodenabdeckung. Die mit übernommenen 80 völlig verdreckten Stühle wurden geschrubbt und mit Politur behandelt. Gardinen wurden genäht und aufgehängt. Viele Hände halfen in letzter Minute, den Raum festlich herzurichten.

1971 wurde die Kapelle um einen Anbau erweitert, damit der Kindergarten zusätzlichen Raum bekam. In der Kapelle herrschte ein reges Gemeindeleben, so dass man sich fragte:
Wozu noch eine „richtige Kirche“ bauen? 1975, nach Fertigstellung des neuen Gemeindezentrums, übernahm eine Gemeinde in Winterhude die Kapelle und so ging sie wieder auf Reisen.
Übrigens: Helmut Schmidt, damals SPD Fraktionsvorsitzender, hatte bei dem Projekt und derBewilligung der Gelder durch das Landeskirchenamt wohl ein gutes Wort für die Gemeinde eingelegt. Zur Einweihung war er geladen, sagte aber aus Termingründen ab. Aus dem Bundeshaus in Bonn schrieb er ergänzend: „Falls meine gelegentlichen Hinweise im Kreise der hamburgischen Bürokratie bei der Verwirklichung Ihrer Pläne hilfreich gewesen sind, so freut mich dies sehr“. Die guten Beziehungen der Gemeinde zur Familie Schmidt wurden auch darin deutlich, dass Loki Schmidt im Dezember 1984 der Gemeinde eine Weihnachtskrippe übergab. Diese hatte Erich Honecker dem Bundeskanzler Helmut Schmidt bei dessen Besuch in der DDR geschenkt.
Was geschah weiter mit der Baracke? Sie wurde an der Barmbeker Straße als Jugendzentrum genutzt, bis sie Anfang 1993 in Flammen aufging – wohl aufgrund von Brandstiftung.

Wolfgang Trautmann

alle Fotos: Archiv Käkenflur