Nach fünfundsiebzig Jahren wieder Erinnern

An der am Wochenende sonst eher menschenleeren Langenhorner Chaussee auf der Höhe der Hausnummer 623 hatten sich zahlreiche Menschen eingefunden. Ein Kuchenstand zur Verpflegung war aufgebaut, ein Mikrofon stand bereit, und kurz vor halb drei bildeten alle Anwesenden wie auf ein geheimes Zeichen hin einen Halbkreis. Was ging hier vor?

Das Kuchenbuffett für die Stolpersteinverlegung

Ab 1935 (!) bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges befand sich auf dem Gelände, auf dem nun auch das neuen Bürogebäude steht, das „Hanseatische Kettenwerk“, ein geschickt gewählter Tarnname für eine Rüstungsfabrik, in der viele Zwangsarbeiter unter unmenschlichen Bedingungen schuften mussten. Hier befand sich die „Außenstelle Langenhorn“ des Konzentrationslagers Neuengamme! Heute sollten nun zwei Stolpersteine verlegt werden, die an zwei junge Soldaten erinnern werden, die hier ebenfalls Zwangsarbeit leisten mussten, dann aber fliehen konnten und deswegen zum Tode verurteilt wurden.

Gunter Demnig spricht über die Stolpersteinaktion

Der Künstler und Initiator der Stolpersteine, Gunter Demnig, war anwesend und hat in eindrücklichen Worten geschildert, wie aus einer eigentlich nur als Kunstprojekt gedachten Idee eine inzwischen internationale Aktion gegen das Vergessen wurde. 73.000 Steine sind bislang verlegt worden, ein Ende ist nicht abzusehen.

René Senenko von der Willi-Bredel-Gesellschaft

René Senenko von der Willi-Bredel-Gesellschaft stellte die Biographien der beiden jungen Männer vor. Wer sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete, hatte die freie Wahl der Waffengattung. Otto Berger und Karl-Heinz Barthel meldeten sich zur Luftwaffe und wurden in Schleswig-Holstein stationiert. Otto Berger verlängerte eigenmächtig seinen Urlaub, das wurde als Fahnenflucht geahndet, Karl-Heinz Barthel verfasste einen staatsfeindlichen Text, das wurde als Wehrkraftzersetzung geahndet. Beide landeten im Zuchthaus Fuhlsbüttel, von wo aus sie tagsüber zur Zwangsarbeit ins Kettenwerk entsandt wurden. Von hier aus gelang ihnen die Flucht bis nach Berlin, wo sie aber wenige Wochen später gefasst und von einem Sondergericht zum Tode verurteilt wurden.

Die Steine sind verlegt

Uwe Nitschke als Vertreter der Gemeinde St.Jürgen-Zachäus sprach ebenfalls, einer der Stolpersteine wurde ermöglicht durch eine großzügige Spende anlässlich eines Trauerfalls, die durch die Gemeinde aufgestockt wurde.

Uwe Levien

Die Verlegung der Steine wurde musikalisch begleitet von Uwe Levien.

Die Friedens”tauben”

Dann legten Anwesende Blumen nieder, Friedens“tauben“ (auf Luftballons gedruckt) stiegen auf und von nun an haben die jungen Männer ein dreiviertel Jahrhundert nach ihrem Tod wieder einen Ort, an dem ihrer erinnert wird.

Die neuen Stolpersteine

Birgit Wiedenmann-Naujoks