Einfach so gechillter Zierkürbis

Zu Erntedank jubeln wir: Die uns ernährende Schöpfung ist schön. Manchmal erkennt man eine Schönheit aber erst auf den zweiten Blick. Wie bei der Kartoffel zum Beispiel. Sie gilt als das deutsche Gemüse. Aber besonders attraktiv ist sie eigentlich nicht. Da kann man sich fragen, was Gott sich dachte, als er Kartoffeln wachsen ließ? Und was mag die Kartoffel nur dazu denken? Das ist schon eine Belastung, in der Gemüseabteilung immer in der Ecke zu stehen — mit Erdklumpen rundum, anstelle von glänzendem frischen Grün — so ein bisschen als zweite Wahl angesehen zu werden. Aber: was wäre die Currywurst ohne Pommes? Der Fußballabend ohne Chips? Und Bayern ohne Knödel? Ja, die Kartoffel gehört zu denen, deren Schönheit und inneren Werte man erst auf den zweiten Blick erkennt. Aber wer genau hinschaut, der wird sie immer lieben und schätzen, wenn er erkannt hat, worin ihre geheime Kartoffel-Stärke liegt.
Das mit der Schönheit auf den zweiten Blick ist auch bei der Zucchini so — sie ist die Gastarbeiterin in unserem Garten mit italienischer Herkunft. Vor 40 Jahren war die Zucchini exotisch wie Mario, der Sohn vom Eisdielenbesitzer. Mario hatte es in der Grundschule mit uns nicht immer leicht. Heute ist das anders, wir mögen Eis, Pizza, Spaghetti und Mario. Und fremd ist uns auch nicht mehr die Zucchini. Auch Gemüse braucht Integration. Das klappt — wenn wir Geduld haben mit uns selbst. Die deutsche Kartoffel ist übrigens auch ein Flüchtling. Aus Mittelamerika. Und dann ist da noch der Zierkürbis. Was will er an Erntedank? Den kann man ja nicht essen! Also soll man dafür seinem Herrgott danken? Überhaupt: Die ganze Arbeit bloß für ein paar bunte Teilchen, die man als hübsche Dekoration ins Zimmer stellt? Einfach so?
Schauen wir wieder genau hin. Der Zierkürbis ist ein total gechillter Typ! Der ist einfach da, macht sich keinen Stress: Er muss nicht schauen, dass er möglichst lecker ist. Der macht sich nicht verrückt, weil in ihm viel zu viele Kerne wachsen oder zu wenig Vitamine. Dem ist egal, ob jemand Hunger auf Kürbissuppe hat oder nicht. Er ist einfach so da! Und das ist doch gerade das Schöne im Leben. Das „Einfach so!” Einfach so im Garten sitzen und nichts tun. Einfach so seinem Schatz Blumen mitbringen.
Einfach so in der Kirche sitzen und die besondere Stimmung auf sich wirken lassen.
Einfach so als Zierkürbis da sein, weil er halt schön ist.
Einfach so hab ich diese Welt erschaffen, sagt Gott, praktischen Nutzen habe ich davon nicht. Ich wollte einfach, dass es euch gibt — einfach so.
Also sind wir da: junges Gemüse und reife Früchte. Ein bunter Haufen. Aber nicht einfach in der Erde gewachsen — mit ein bisschen Regen, ein bisschen Sonne — sondern gesegnet. Segen ist Allround-Dünger des großen Gärtners für uns. Gott sei Dank.

Bernd Niss/RalfDrewis